Für die RTL-Filmproduktion „Der Spieler“ hatte die Produktion zeitgenössische Fahrzeuge der 70er und 80er Jahre gesucht. Die Oldtimerfreunde Aschaffenburg haben mit einigen ihrer Fahrzeuge dazu beigetragen, die Blütenstraße in Aschaffenburg-Schweinheim optisch um mehrere Jahrzehnte altern zu lassen.
Boris Becker gewann 1983 mit knapp 16 Jahren in Aschaffenburg die deutschen Jugendmeisterschaften. Aber die Produktionsfirma wählte unsere Gegend wegen der Locations in Kombination mit der Länderförderung des Freistaates Bayern, die den Film unterstützt. Und so fragte bereits im Februar Ulrich Karis, der mit seiner Agentur „Spielfahrzeuge“ im Filmgeschäft aktiv ist, bei den Oldtimerfreunden nach, ob wir ihn bei der Fahrzeugbeschaffung unterstützen können. Es war aber klar, dass wir allein es nicht schaffen würden, für den 14. Mai 25 passende Alltagsfahrzeuge aus dieser Zeit zu organisieren. Clubs aus der Umgebung hüllten sich in Schweigen oder waren bereits aufgelöst. Rettung brachte Manuela Klebing vom Medienhaus Main-Echo, die den Aufruf veröffentlichte und damit vor allem im Bereich Miltenberg viele Oldtimerbesitzer erreichte.
Der Drehtag hatte morgens um 09.45 h auf dem Lidl-Parkplatz mit Corona-Test und Einweisung begonnen. Danach fuhr die Kolonne mit den ausgewählten Fahrzeugen in die abgesperrte Blütenstraße. Das Eckhaus der Familie Fischer an der Vogelsbergstraße war ausgesucht, das Elternhaus von Boris Becker in Leimen zu „spielen“. Unsere Fahrzeuge waren vor allem dazu bestimmt, neben Telefonzelle, Zigaretten- und Kaugummiautomaten bis hin zur Litfaß-Säule ein authentisches Bild der damaligen Zeit zu zeichnen. Fast alle unserer Fahrzeuge wurden mit Heidelberger Nummernschildern versehen, da Leimen zu diesem Landkreis gehört. Nur an die quadratischen Nummerntafeln von Käfer, Alfa Giulia und Fiat 500 hatte die Crew nicht gedacht, hier mussten Notlösungen her.
Zahlreiche Komparsen in Dress der 70er und 80er Jahre waren eingesetzt – von spielenden Kindern über rauchende Jugendliche und Kinderwagen schiebende Erwachsene bis hin zu Radfahrern auf alten Rädern. Und das Ganze wurde von einem großen Tross von Profi-Filmleuten organisiert. Profi-Schauspieler spielten die Rollen von Vater und Mutter Becker oder von Beckers Manager Ion Tiriac, der ihn von 1984 bis 1993 betreute. Und wir konnten aus nächster Nähe sehen, wie der junge Boris und der jugendliche Boris (Bruno Alexander) ihre Dreharbeiten meisterten. Jede Szene wurde aus mehreren Perspektiven gedreht, eine Herausforderung für Schauspieler, Komparsen und Filmcrew. Aber alles lief ohne große Hektik ab. Interessant war auch die Zwei-Klassen-Gesellschaft zwischen Profiteam und Komparsen – jeweils mit eigener Verpflegung und Standort für die Mittagspause.
Unsere Rolle bestand u.a. darin, für ein wechselndes Straßenbild zu sorgen. Also wurden die Autos mehrfach umgeparkt. Und je nach Szene kamen ein Rolls-Royce (Ion Tiriac), ein Mercedes W 123 (Vater von Boris), ein Mercedes W 116 (Boris Becker) und ein Mercedes W 126 (Geschenk von Boris an seinen Vater) zum Einsatz. Neben diesen Hauptdarstellern bekamen einige Autos noch besondere Komparsen-Rollen, wie die Autobianchi Giardiniera im Hintergrund der jubelnden Becker-Fans oder der Mercedes W 108, der vom selben Komparsen durch mehrere Szenen immer im Bereich des linken Kotflügels gewaschen wurde. Hoffentlich wurde der Lack nicht abgeschmirgelt!
Fast zum Schluss gab es noch einen kleinen Höhepunkt. In einer Szene tänzelt Boris die Straße lang mit dem Walkman auf den Ohren. Und ein dunkelblaues Mercedes W 123-Coupé kommt ihm fast bedrohlichem Scheinwerferlicht entgegen und zwingt ihn zum Ausweichen. Hier hatte die Crew vergessen, das Nummernschild zu tauschen. Oder stand im Drehbuch, dass Boris von einem Aschaffenburger Fahrzeug „bedroht“ werden sollte?
Gegen 21 Uhr war der Drehtag beendet. Die Straße wurde bei beginnender Dunkelheit von einmal von einem Kamerakran aus gefilmt und von einer Kamera Drohne überflogen. Die Zeit war jetzt auch für uns gekommen, vom Drehort Abschied zu nehmen. Es war ein langer, aber auch erlebnisreicher Tag. Mal sehen, ob Aschaffenburg zur Filmhochburg wird. Und die Oldtimerfreunde vielleicht eine neue Chance bekommen, ihre Schätzchen zu präsentieren.
Text und Fotos: Rüdiger Bonneß